Krisenmanagement im digitalen Zeitalter – Anforderungen an ein webbasiertes Tool, in S+S Report 03/2019

Krise ist – vereinfacht gesagt –, wenn nichts mehr ist, wie es war, oder besser: wie es sein sollte. Eine hochriskante Ausnahmesituation, in der die sonst so bewährten Managementmethoden nicht mehr greifen und auch das operativ ausgerichtete Business Continuity Management (BCM) wirkungslos bleibt.

Artikel von Peter Markovitz

Der Führungsprozess als Strukturelement im Krisenmanagement

Denn in einer Krise geht es nicht ausschließlich um die Wiederherstellung des Normalbetriebes, sondern vielmehr um die Begrenzung des gesamtunternehmerischen Schadens. Und gerade dieser Aspekt ist es, der in der ersten, reaktiven und „lauten“ Phase einer Ereignisbewältigung oft übersehen wird.

Kaum etwas stellt die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen deutlicher infrage als eine Krise. Gerade in den letzten zehn Jahren kämpften Unternehmen immer aufwendiger mit den Folgen von Ereignissen, die oft vernetzt und unerwartet aufgetreten sind. So verwundert es also nicht, dass in dem nun zu Ende gehenden Jahrzehnt im Bereich Notfall- und Krisenmanagement massiv in die Aufbau- und Ablauforganisation investiert wurde.

Aber genügen diese aus der klassischen Lehre abgeleiteten Maßnahmen den Anforderungen an eine erfolgreiche Krisenbewältigung? Entscheiden nicht letztlich die handelnden Mitarbeiter und deren Zusammenspiel über die erfolgreiche Bewältigung?

Situationsbilder einer Krisensituation

Welche Situationsbilder sind es denn, die eine Krise prägen? Gerade in der Anfangszeit herrscht typischerweise Chaos. Meist ohne Vorwarnung tritt die Krise in Erscheinung und verändert schlagartig die Anforderungen an die betroffenen Unternehmen. Bisherige Regeln und Prozessabläufe greifen nicht mehr. Die maßgeblichen Führungskräfte müssen sich erst zusammenfinden, um koordiniert und strukturiert in eine Richtung zu arbeiten.

Das alles geschieht unter immensem Druck, denn der Zeitfaktor ist erfolgsentscheidend. Wer zu lange wartet, minimiert seine Handlungsspielräume – und seine Chancen, heil aus dem Desaster zu kommen.

Aber rasche und vor allem richtige Maßnahmen treffen, das ist leichter gesagt als getan. Denn wir alle wissen: Übermäßiger Stress lähmt das Denk- und Analysevermögen. Unter Druck kommt es oft zu Spontanreaktionen, die eher kontraproduktiv sind oder sogar eine angehende Krise in eine große verwandeln können. Zudem erfordern die zahlreichen organisatorischen Maßnahmen einen hohen Personaleinsatz.

An dieser Stelle kann mittlerweile die Kombination aus Methodik und Technik gravierend unterstützen. Der konsequente methodische Ansatz eines Führungsrhythmus, wie er bei zahlreichen Stäben im Bereich des Zivilschutzes oder des Militärs Anwendung findet, bietet in der strukturierten Abfolge die notwendige Orientierung. Wenn dieser Führungsprozess als Strukturelement im Krisenmanagement in eine darauf zugeschnittene Programmierung eingebettet wird, entsteht ein Unterstützungswerkzeug, das dem Krisenstab und Lagezentrum entscheidende Entlastung verschafft.

Problempunkte im Krisenmanagement

Zu den Problempunkten im klassischen Krisenmanagement gehören oft die administrativen Begleitprozesse wie die Auftragserteilung, das Auftragscontrolling, das Protokoll schreiben und die Informationsbeschaffung. Sie sind oft sehr zeitaufwändig und binden unverhältnismäßige Ressourcen. Dazu zählt Problempunkte im Krisenmanagement auch die Visualisierung der Lage, die
oft trotz des hohen Aufwands nicht so gestaltet ist, dass wirklich alle Mitglieder des Stabs ein „gemeinsames Bild von der Lage“ haben. Und auch der Zeitverlust bis zur Handlungsfähigkeit des Stabes vor seiner ersten Zusammenkunft ist oft ein gravierender Problempunkt.

Eine moderne Krisenmanagementanwendung unterstützt den Krisenstab in seiner Arbeit, setzt also bei diesen typischen Schwachpunkten des klassischen Krisenmanagement-Prozesses an, strukturiert Aufträge und deren Controlling, vereinfacht die Protokollierung und die Informationsweitergabe. Zudem sollte sie helfen, die Interaktion zwischen den Mitgliedern eines oder mehrerer Stäbe zu ermöglichen und allen ein umfassendes Gesamtbild der Lage in Echtzeit zu liefern

Unterschiedliche Ansätze für Management-Software
Die aktuell am Markt angebotenen Lösungen unterscheiden sich in der verwendeten Technologie. Vor einigen Jahren wurden lokale, datenbankbasierte Programme teilweise Ansätze für Unterschiedliche Management-Software mit großem Aufwand entwickelt, die sich auf die Bereitstellung von Dokumenten oder auf Alarmierungsprozesse innerhalb der eigenen Systemarchitektur konzentrierten. Am Markt durchgesetzt haben sie sich letztlich nicht. Dagegen haben webbasierte Alarmierungstools mit ihren universellen Zugangsmöglichkeiten mittlerweile eine große Verbreitung. Die Alarmierungssoftware sorgt für die sehr wichtige zeitnahe Grundlageninformation aller Beteiligten, berücksichtigt aber das strukturgebende Element des nachfolgenden Führungsprozesses und der Interaktion bestenfalls nur ansatzweise. Eine Krisenmanagement-Anwendung muss aber gerade diese beiden Elemente sinnvoll zusammenführen. Zudem sollten geeignete Schnittstellen ermöglichen, dass vorhandene Lösungen wie Alarmierungstools oder Ereignismeldesysteme mit der Anwendung kommunizieren können und sich leicht und kostengünstig in eine bestehende IT-Systemlandschaft integrieren lassen. Bei der Einführung einer Krisenmanagement-Anwendung sind einige technische Anforderungen zu erfüllen, die aber in modernen Unternehmen heute meist vorhanden sind. Zudem sollte ein Krisenmanagement-Handbuch im Unternehmen vorhanden sein oder parallel zur Einführung entwickelt werden. Es ist vorteilhaft, wenn dessen methodischer Ansatz und die webbasierte Krisenmanagement-Anwendung in eine Richtung gehen, d. h. die Struktur der Dokumentation und die Abfolge im Tool folgen dem gleichen methodischen Ansatz, dem Führungsrhythmus. Typischerweise ist das Handbuch natürlich auch in der Anwendung hinterlegt und kann so jederzeit elektronisch hinzugezogen werden.
Einflussfaktor Mensch

Bei der Krisenbewältigung bleibt aber auch beim Einsatz eines unterstützenden Tools und bester organisatorischer Grundlagen der Faktor Einflussfaktor Mensch Mensch mit seinen individuellen Qualitäten der entscheidende Erfolgsfaktor. In einer solchen Situation ist es vor allem wichtig, dass die handelnden Personen sich über ihre eigenen Verhaltensmuster unter Stress bewusst sind und teamfähig bleiben, und natürlich werden besondere Anforderungen an die Führungsperson eines Krisenstabes gestellt.

Das Vorhandensein eines Tools und die Arbeit mit diesem dürfen darum während der Krisenbewältigung auf keinen Fall eine zusätzliche Belastung darstellen. Die Nutzerführung sollte so selbsterklärend und intuitiv ausgelegt sein, dass sie auch von einer unerfahrenen Person sofort erfasst werden kann. Führungsdefizite kann das Tool natürlich nicht beseitigen, ihre Folgen aber durch die klare Struktur mindern.

Trotz allen Fortschritts wird wohl auch die beste Anwendung Krisen bis auf weiteres nicht autonom lösen können und so werden die Mitarbeiter bis auf weiteres in der Notfall- und Krisenorganisation der Schlüsselfaktor für die Bewältigung unvorhergesehener Ereignisse mit hohem Schadenspotenzial bleiben. Unternehmen sind in dem heutigen volatilen Umfeld gut beraten, sich organisatorisch und technisch auf die Bewältigung solcher Ereignisse vorzubereiten. Am Ende aber sollte der wichtigste Schritt für den Erfolg nicht vergessen werden, der da heißt: „Üben, üben, üben!“.

Unterstützungs-Tool DEMiOS

Auf der Basis der im Artikel beschriebenen Anforderungen an eine technische Lösung im Bereich Notfall- und Krisenmanagement hat das Beratungsunternehmen Verismo GmbH das Unterstützungs-Tool DEMiOS entwickelt. DEMiOS steuert den gesamten Krisenbewältigungsprozess, beginnend mit der Ereigniserfassung, der Bewertung des Ereignisses mit Blick auf das Gefährdungs- und Schadenspotenzial, dem Informations- und Alarmierungsmanagement bis hin zur eigentlichen Krisenreaktionsarbeit. Es greift dabei auf den bewährten Führungsrhythmus des Schweizer Zivilschutzes zurück, der für die Nutzung in Wirtschaftsunternehmen angepasst wurde.

Die Verismo GmbH bietet neben produktspezifischen Schulungen zu DEMiOS ein breites Angebot an Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen an der unternehmenseigenen Verismo Academy in Haßloch/Pfalz im Bereich Risiko-, Notfall- und Krisenmanagement an.

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